Einiges zum Muttertag...

1. Artikel von Jess Jochimsen

2. Gedicht zum Muttertag (von Oliver Kalkofe)

 

 

Mama, benimm dich!

 

Was tun, wenn die Mutter bloß nicht geehrt werden will? Schon gar nicht zum Muttertag? Schwere Zeiten für brave Söhne...

Oje - Muttertag! Also nicht, dass ich ein böses Kind gewesen wäre, aber Muttertag habe ich nie gefeiert. Gab es nicht. Wurde getilgt. So ein kryptofaschistischer Brauch käme nicht in die Tüte, sagte meine Mutter immer. „Weißt du überhaupt, welche Ideologie hinter dem Muttertag steht?“ herrschte sie mich an. Ich wusste noch nicht einmal was „Ideologie“ ist, geschweige denn, wie die hinter einem Tag stehen könnte. Meine Mutter wusste es umso besser: „Dem Führer ein Kind schenken! Das steht dahinter. Nix da!“

Irgendwann schnappte ich auf, dass der Muttertag ursprünglich aus den USA stammte, doch damit geriet ich in meiner Erzeugerin gerade an die Richtige: „Die Amis, die kapitalistischen. Das ist doch noch schlimmer!“

Schließlich war es der Druck der Gesellschaft, also die Macht des Verbandes Deutscher Blumengeschäftsinhaber und der immense Bastel-Boom in den Kinderläden der frühen siebziger Jahre, der meine Eltern dazu zwang, doch noch eine Art Muttertag zu begehen - freilich in politisch korrekter Form. Ein paar Jahre lang feierten wir einen „Vater-Mutter-Kind-Tag“, an dem jeder jedem etwas schenkte und ganz besonders lieb war. Darüber hinaus sollten „die Probleme in der Familie auf den Tisch gelegt werden“ - was auch immer das heißen mochte -, damit man darüber reden konnte. „Renate-Eberhard-und-Jess-Tag“ hieß das bei uns. Es war ein Fiasko...

Ich muss wohl weiter ausholen: Meine Eltern sind 68er, also Alt-68er heute, auch optisch. Für ein Kind bedeutet das viel, nur keinen Spaß. Meine Eltern waren Hardcore-Hippies, mit Flokati auf dem Kopf, Che Guevara in der Küche und Frank Zappa auf`m Klo, aber hallo! Sie hörten den ganzen Tag Pink Floyd, da wurdest du blöd in der Birne als Kind. Wir lebten in einer Kommune, autark, mit selbst gebauten, ungespritztem Grünzeug (das hätte man auch nicht spritzen brauchen, da wäre kein Schädling der Welt freiwillig rangegangen). Um es kurz zu machen: Gestillt wurde ich, bis ich acht war, dann gab`s Körner. Und „Mama“ und „Papa“ hatte ich nicht - ich musste ja immer „Eberhard“ und „Renate“ sagen!

Zu allem Überfluss sind meine Eltern auch noch Bayern. Bayerische 68er. Das ist eigentlich eine Kombination der Unmöglichkeit. Ich persönlich glaube, das gab`s genau zweimal, und die haben sich auch noch getroffen! Wenn die sich vermehren, kann man sich ja vorstellen, was da herauskommt.

Vielleicht verstehen Sie jetzt meine Probleme, wobei ich den „Renate-Eberhard-und-Jess-Tag“ an sich in guter Erinnerung habe. Immerhin war es ein Fest. Und immerhin bekam ich Geschenke. Die es sonst nicht gab. „Dem Konsumterror schließen wir uns nicht an“, sagten der Eberhard und die Renate. Außerdem führten sie eine schwarze Liste mit unerwünschten Personen des kapitalistischen Brauchtums heidnischen Ursprungs - und der Weihnachtsmann, das Christkind und der Nikolaus waren die Spitzenreiter auf dieser Liste.

Am schlimmsten war allerdings immer Ostern, denn da wurde gewandert. Mal nach Brokdorf, man nach Bonn, klassische Urlaubsziele eben. Die Hippies auf der einen Seite, die Polizisten auf der anderen. Ich wusste nicht, vor wem ich mehr Angst haben sollte. Und nix Eier suchen - Eier werfen war angesagt! Gott im Himmel, die Staatsmacht rückte an mit Wasserwerfern, und meine Eltern standen da mit Bettlaken. Irgendwann waren alle nass, liefen weg, nur ich saß heulend im Schlamm. So sah mein Osterfest aus. Ich habe nicht eine Minute lang Eier gesucht. Aber zwei Tage lang meine Eltern.

So war das mit den Bräuchen - nicht schön, aber spannend. Und trotz alledem oder vielleicht deswegen möchte ich diese Kolumne für ein versöhnliches Ende nützen. (Ich muss natürlich hoffen, dass irgendjemand der Renate diesen Artikel zuspielt, denn lesen würde sie die HÖRZU niemals, schließlich verführt die Fernsehen, was des Teufels ist und nur zu dem Zweck erfunden wurde, um aus mir einen sprachverkümmerten Knecht der Bourgeoisie zu formen.)

Wahrscheinlich werde ich ohnehin enterbt, weil ich in einem Springer-Blatt geschrieben habe, aber ich sage es trotzdem:

Alles Gute zum Muttertag, M-A-M-A!

 

 

 

Text entnommen der HÖRZU vom 5.5.01
Text von: Jess Jochimsen hatte eine harte Kindheit: Seine Eltern waren Hippies. Zucker und Dosenmilch gab`s nur bei Oma. Er wurde Kabarettist, schrieb „Das Dosenmilch-Trauma - Bekenntnisse eines 68er-Kindes“

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Muttertagsgedicht!

Liebes Muttilein, 
Den ganzen Tag bist Du am Ackern, 
tust Dich nur für uns Abrackern, 
von Deiner Stirne rinnt der Schweiße, 
drum schmeckt das Essen auch mal wieder so lecker!!! 

Du bist nicht schön, und über dreißig, 
doch immerhin bist Du recht fleißig. 
Du bringst uns unsre Essenssachen, 
und wenn Du hinfällst uns zum Lachen. 

Keiner tut Dich je entlohnen, 
ja immerhin darfst Du hier wohnen! 
Sacht Papa auch: "Weg mit der Alten", 
wir woll`n Dich trotzdem gern behalten. 

Du kochst und putzt und wäschst und nähst, 
das wär` echt Schade, wenn Du gehst. 
Wir tun Dich alle hier liebhaben, 
das muss man heute ja so sagen, 
drum woll`n wir dich auch nie vergessen, 
und denk an unser Mittagessen!!